In eigener Sache:
Was soll die Fratze mit dem bösen Blick? Warum verunziert ein Verbrecher den Hof? Kein schöner Anblick. Trotzdem hängt das Menetekel an der Wand und macht Angst. Das ist auch seine Aufgabe: Um Böses abzuschrecken, muss Böses in Dienst gestellt werden. Dem Seiltänzer wäre es lieber, die Guten kämen ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Und die Welt wäre geordnet wie von Zauberhand, alles hübsch senkrecht und rechtwinklig… Doch die Welt ist im Fluss, und alles entsteht und vergeht aus dem Wechselspiel seiner Widersprüche.
Auch Kirchen nutzen die dialektische Bewegung. Warum hocken Heerscharen abstoßender Dämonen an den Fassaden der Kathedralen? Um böse Geister abzuschrecken! Ist das naiv? – Nein, das ist Dialektik! Neu ist nur: Seit der Aufklärung streunen Teufel nicht mehr frei umher. Versteckt in der Menschenbrust warten sie auf ihre Stunde der Freiheit, in der wir sie von der Kette lassen. Deshalb hängt im Hof kein Drache mit Reißzähnen, sondern – ein Mensch!
Über diesen angeketteten Anti-Prometheus lässt sich nur Gutes sagen! Kein nennenswertes Übel traute sich seither aufs Gelände. Zum ersten Mal in seiner schattenhaften Elendsexistenz verrichtet der Unglückliche nützliche Arbeit zum Wohl seiner Mitmenschen. – Dem Guten kann niemand entgehen!
Nachtrag:
Der Seiltänzer fährt fort, alles im Licht der Vernunft zu betrachten. Herausgefunden hat er wenig, und Weisheit wird auch künftig in ihm kein Nest mehr bauen. Aber gemerkt hat er sich seiten- und kiloweise, was Hochbegabte hinterließen. Ihre Worte zieren die Wände des Hauses inmitten ungeschönter Fotos aus der Elementarwelt. Mit allen Objekten verhält es sich wie mit dem Bösewicht im Hof: Sie erschließen sich dem Betrachter erst auf den zweiten Blick. – Wer sich darauf einlässt, wird staunen wie seinen Gedanken Flügel wachsen.